In Lindow/Mark hat das 50. Kangeiko des DKenB stattgefunden. Aus NRW hat wieder eine erfreulich große Anzahl von Kenshi in allen Gruppen teilgenommen. Auf der Sayonara-Party wurden die Erfolge der Nationalmannschaft auf der EM 2022 gewürdigt und die Nominierung für die Kendo-Nationalmannschaft 20233 bekannt gegeben. Aus NRW mit dabei sind bei der Jugend Julian, bei den Frauen Sonja und bei den Herren Liam, Max und Moritz!. Wir gratulieren ganz herzlich und wünschen viel Erfolg auf der EM2023!
Am Wochenende, 26.11.-27.11, gab es einen Frauen-Lehrgang mit Donatella Castelli. Donatella Castelli hat den siebten Dan Kendo Kyoshi. Sie hat in der Vergangenheit an vielen internationalen Turnieren teilgenommen und hat sich bereits viele Jahre für das Frauen-Kendo eingesetzt.
Nach dem Aufwärmen wurden Übungen mit dem Shinai gemacht. Zuerst wurden die Grundtechniken wiederholt, um daraus andere Techniken ableiten zu können. Nach der Mittagspause wurden Nihon Kendo Kata Übungen mit dem Bokken gemacht. Rund 20 Kendoka haben an dem Lehrgang teilgenommen.
Das Interview führte Sonja Hülsebus
S: Du hast den 7. Dan Kyoshi im Kendo und bist damit einer von wenigen in Deutschland, die das geschafft haben. Das hat sicherlich lange gedauert. Wann hast Du mit Kendo angefangen?
R: Ich mache seit 36 Jahren Kendo. Ohne Pause. Im Februar 1986 bin ich Mitglied im Bushido Köln e.V. geworden. Noch im gleichen Jahr wurde ich im Kendo Dojo Köln e.V. Mitglied.
S: Wie kamst Du zum Kendo?
R: Das war ein Zufall. Ich habe einen Zeitungsartikel über den Bushido Köln e.V. gelesen. Die haben damals u.a. Aikido, Judo und Kendo angeboten. Der Leiter des Vereins war ein ehemaliger Judo-Nationalkämpfer und der Kendo-Trainer damals war Yukio Shimizu.
Sport habe ich eigentlich schon immer gemacht. Vor allem Geräteturnen – am liebsten am Reck und am Barren – Leichtathletik und Handball. Für die asiatischen Kulturen habe ich mich auch interessiert. Also bin ich einfach mal zum Training gegangen und meine Kendo-Karriere nahm ihren Anfang.
S: Wer war damals Trainer?
R: Zuerst habe ich bei Yukio Shimizu angefangen. Als ich später dann auch Mitglied im Kendo Dojo Köln e.V. wurde, habe ich auch unter Alfred Hennemann trainiert. Damals war Alfred der jüngste 5. Dan in Deutschland, Nationalkämpfer, Vereinsvorstand im Kendo Dojo Köln e.V. und Vorsitzender vom NWKV, in Personalunion. Anfangs habe ich etwa dreimal die Woche trainiert. Montags habe ich zuerst im Bushido und immer noch am gleichen Tag abends im Kendo Dojo Köln e.V. trainiert. Das war damals schon in der Montagshalle, die wir auch heute noch benutzen. Das war mein Doppeltraining. Mittwochs habe ich im Kendo Dojo Köln e.V. und freitags noch beim Uni-Training bei Yukio trainiert. Das waren auch alle Termine, an denen man in Köln trainieren konnte.
S: Welche Personen waren noch wichtig für Dich?
R: Der Kendo Dojo Köln e.V. ist bis heute mein Kendo-Zuhause. Damals war Willi Istas, der inzwischen leider verstorben ist, die Seele des Vereins. Er war Künstler und hat unser erstes Vereins-tenugui entworfen, das mit dem Kendo-ka, der den Dom spaltet. Gewohnt und gearbeitet hat er in der alten Wachsfabrik in Köln-Rodenkirchen. Wir hatten ihm den passenden Spitznamen „Et Höppemötzje“ gegeben. Einem Kölner braucht man den Ausdruck nicht zu erklären, für „Auswärtige“ versuche ich es: Ein Mensch, der immer gut gelaunt und sehr hibbelig ist. Immer freundlich und zu Scherzen aufgelegt. Immer hilfsbereit. Ein bisschen chaotisch, aber zielgerichtet. Rundum, einfach ein netter Mensch. Man kann auch sagen ein Lebenskünstler. Beim Kendo hat er uns auch so manchmal mit „seinen Techniken“ etwas verwirrt. Ich hoffe, dass Ihr versteht, was ich meine.
Bei Willi haben wir unsere Vereinssitzungen abgehalten und etliche Partys gefeiert. Teilweise waren sogar die Bundestrainer bei ihm untergebracht. Leider hat er den Kampf gegen den Krebs verloren, aber alle, die ihn gekannt haben, tragen ihn in ihren Herzen.
Weitere Personen, die ich unbedingt nennen möchte, sind Sofie Winkhaus und Christiane Arnolds. Christiane hat damals aus ihrer privaten Schatulle beigesteuert, damit wir uns die Startgebühren für die Deutschen Meisterschaften leisten konnten. Sofie hat den NWKV quasi reanimiert, nachdem der damalige Kassenwart die Gelder veruntreut hatte. Durch sie konnten wir zum Beispiel unsere Fahrtkosten für die Teilnahme an Wettkämpfen erstattet bekommen, ohne dass jemand mit seinem Privatvermögen etwas beisteuern musste.
S: Wie groß war die Kendo-Community, als du angefangen hast?
R: Damals gab es quasi zwei Kendo-Stützpunkte in NRW, Düsseldorf und Köln – vielleicht noch Münster. Wir haben uns dann immer regelmäßig in den einzelnen Städten bzw. Dojos getroffen und zusammen trainiert. Es gab zwar nicht so viele Kendo-Leute insgesamt, aber beim Training in Köln waren wir damals mehr als heute, also mindesten so um die zehn. Von den Leuten, mit denen ich damals trainiert habe, sind noch Roland Niewerth (7. Dan), Monika Krämer (6. Dan), Norbert Krokowsky (5. Dan), Dr. Sigrun Caspary (6. Dan Renshi), Thomas Zander (1. Dan) und Thomas Lieb (4. Dan) aktiv.
S: Was glaubst du, woran das liegt es, dass wir heute nicht mehr so viele Leute beim Training sind?
R: An der Einstellung. Heutzutage ist das Angebot einfach zu groß und die Kommunikation zu unpersönlich. Früher haben wir uns nach dem Montagstraining regelmäßig getroffen, um Alfred Hennemann regelrecht mit unseren Kendo-Fragen zu löchern und nach „Kendo-Terminen“ zu fragen.
Damals gab es noch nicht so viele Turniere. Das Dr. Goto-Turnier in Düsseldorf, das Yamashibu-Turnier in Wiesbaden, die NRW-Meisterschaft und die deutsche Meisterschaft. Nicht zu vergessen das Gasshuku und Kangeiko.
Der harte Kern der Kendo-Gruppe bestand aus Roland, Alfred, Thomas Kutzer, Monika, Willi und mir. Überall, wo es irgendetwas mit Kendo gab, sind wir hingefahren. Dieser Kontakt untereinander, auch dass man sich gegenseitig fürs Training besucht hat (Köln, Düsseldorf, Münster), das gibt es ja kaum noch. Zumindest nicht regelmäßig. Wir brauchten keine langen Absprachen über Whatsapp. Wir haben miteinander geredet, etwas ausgemacht und dann sind einfach alle gekommen. Die Einstellung, eine regelmäßige Verpflichtung einzugehen, die gibt es heute kaum noch. Also, nicht nur beim Kendo, sondern allgemein-gesellschaftlich.
S: Wie seid ihr damals ohne Internet eigentlich an eure Ausrüstung gekommen?
R: Meine ersten beiden Rüstungen habe ich bei Yamashibu-sensei bestellt. Er hat damals Iaido und Kendo gemacht und zusammen mit Dieter Ott einen eigenen Kendo-Shop gehabt. Das Yamashibu-Turnier ist auf ihn zurückzuführen, das erste hat bereits 1981 stattgefunden. Er hat damals auch die Preise fürs Turnier gesponsert.
S: Hattest du ein Vorbild oder jemanden, dem du viel zu verdanken hast?
R: Ja, mehrere. Zum einen habe ich Nakakura-sensei (Kendo Hanshi 9. Dan, Iaido Hanshi 9. Dan) auf dem nach ihm benannten Nakakura-Cup in Brüssel kennengelernt. Ich hatte leider keine Gelegenheit, mit ihm zu kämpfen. Aber ich habe gesehen, wie er alle Leute mit seinem Tsuki an die Wand genagelt hat. Er wich nie auch nur einen Millimeter zurück, für ihn ging es nur vorwärts.
Mein größtes Vorbild ist allerdings Goro Nishino-sensei (8. Dan Hanshi) aus Kochi. Er ist inzwischen leider verstorben. Ich durfte damals einige Male in seinem japanischen Dojo trainieren. Nishino-sensei hat einmal ein Jahr lang nur seinen Men-Schlag trainiert. Dafür hat er eigens ein uchikomi dai (Gummi-Dummy) und ein spezielles bokuto entwickelt. Ich durfte dieses uchikomi dai bei ihm damals auch zum Training benutzen und so ein bokuto habe ich von ihm geschenkt bekommen. Meinen Men-Schlag habe ich von ihm gelernt.
Dann gibt es noch Kurita-sensei. Er hat zwischen 2001 und 2002 einige Wochen, als er Bundestrainer in Deutschland war, bei mir gewohnt. Sein Kendo-Stil ist sehr ähnlich wie der von Nishino-sensei: Sehr gerade. Er kann zudem äußerst detailliert einzelne Techniken erklären, was mich wirklich immer wieder beeindruckt. Nishino-sensei hatte mir mal ein Buch geschenkt, eine Art Kendo-Autobiographie. Ich habe es Kurita-sensei gezeigt und er machte sich eifrig Notizen dazu. Wir beide haben also von Nishino-sensei gelernt. Kurita-sensei hat letztes Jahr seinen Hanshi-Titel bekommen, worüber ich mich sehr gefreut habe. Er kommt übrigens die letzten Jahre regelmäßig mit unterschiedlichen Lehrern nach Deutschland, um ein Seminar zu halten, welches man nicht versäumen sollte.
Seit 1986 – seit Hirano-sensei (Kendo Kyoshi 8. Dan), der damals bei Willi gewohnt hat – habe ich alle Bundestrainer miterlebt und alle haben mich in unterschiedlicher Weise geprägt. Besonders möchte ich auch noch Sekiyama-sensei (Kendo Kyoshi 8. Dan) erwähnen. Als ich mit meinem Freund Alex Gilles 1995 das erste Mal in Japan war, hat er sich um uns gekümmert und herumgeführt. Ich war damals vier Wochen dort, Alex etwas länger. Wir sind in Tokyo angekommen und Sekiyama-sensei hat uns vom Flughafen abgeholt. Aber es gab keine Erholung vom langen Flug, sondern gleich ein erstes Training bei der Polizei in Tsukiji. Da gab es kein Pardon. Wir mussten wirklich Schmerzen ertragen, um über uns hinauszuwachsen. Sekiyama-sensei hat den DKenB und mich viele Jahre begleitet. Er hat sich beim Kangeiko immer um die Jugendabteilung gekümmert. Die Betreuung der Kendo-Jugend wurde später auch zu meinem Steckenpferd.
S: Was sind weitere Kendo-Erfahrungen, an die Du Dich besonders gut erinnern kannst / die Dich nachhaltig geprägt haben?
R: Eine andere Erfahrung war mit Hirano-sensei. Der Spruch „Hirano – five – five“ ist da hängen geblieben. Wir mussten damals die Fußarbeit trainieren: fünf Bahnen hin und fünf Bahnen zurück. Manchmal haben wir eigentlich beim Training nichts anderes gemacht. Das ging nicht, ohne dass wir uns die Füße getapt haben. Keiner wollte sich die Blöße geben, wegen ein paar Blasen an den Füßen aufzuhören.
Ich möchte noch einmal auf das Jahr 1995 zurückkommen. Das war nicht nur „Kendo-Urlaub“, sondern wir, Alex und ich, durften an dem internationalen Seminar der japanischen Kendo-Föderation in Kitamoto teilnehmen – im Hochsommer! Jährlich suchte der DKenB Kendoka aus, die dort hinfliegen durften. Das war schon eine extreme Erfahrung für mich. Ca. 50 Teilnehmer aus der ganzen Welt treffen sich dort, um mit hochrangigen japanischen Lehrern zu trainieren. Zu dem Zeitpunkt gab es nur einen großen Raum, indem alle geschlafen haben. Nur getrennt durch eine flexible Trennwand, die quer durch den Raum ging. Keinerlei Privatsphäre. Um 22:00Uhr war Bettruhe, man musste sich ab- und anmelden, wenn man in die Stadt gehen wollte. Alkohol war nur in einem verschlossen Schrank, usw. Das war für einen selbstständigen, erwachsenen Mann wie mich eine große Herausforderung.
Das sind für mich wichtige Kendo-Erfahrungen. Über seine eigenen Grenzen zu gehen ist eine Voraussetzung dafür, sich weiterentwickeln zu können. Das geht natürlich nur, wenn man es auch will. Und das ist jedem freigestellt. Wenn man alles gegeben und es trotzdem nicht gereicht hat, dann ist das halt so. Aber wenn man es gar nicht erst richtig versucht hat, nun, das ist dann eine andere Sache.
S: Hast du ein Kendo-Motto oder Leitsatz?
R: „Irjendwatt jeht immer!“ Wenn es irgendein Problem oder Hindernis gibt, gibt es auch immer einen Weg, weiterzumachen. Selbst wenn man sich nur hinsetzt und zuguckt, also mitori geiko macht, unabhängig davon, ob man Trainer ist oder Trainierender. Als Trainer ist man immer noch mehr gefordert, anwesend zu sein. Wenn man selbst nicht aktiv mittrainieren kann aber trotzdem kommt, hilft das auf jeden Fall auch, andere zu motivieren. Vielleicht kann man wegen einer Verletzung nur suburi machen oder nur Fußarbeit. Aber irgendetwas geht halt immer. Voraussetzung ist natürlich, dass man hingeht und da ist, auch wenn man nicht mittrainieren kann. Die persönliche Schiene, den Kontakt zu anderen zu halten, ist für mich das Wichtigste. Egal wo man hinfährt in der Welt, bei der Kendo-Gemeinde ist man immer herzlich willkommen. Aber wie gesagt, man muss auch hingehen.
S: Was möchtest Du (jungen) Kendoka mit auf den Weg geben?
R: Man sollte auf jeden Fall zu vielen verschiedenen Lehrern gehen, um viele Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln. Indem man merkt, „aha, das passt zu mir, das nehme ich mit“, findet man seinen ganz persönlichen Kendo-Weg. Dafür muss man viel ausprobieren. Eine Herausforderung dabei ist, dass der Lehrer den Schüler akzeptieren muss. Und das ist wiederum der Punkt, den Sigrun so schön mit „Demut ist ein Wort, das Kendo einem beibringt“ erklärt. Aber auch Dankbarkeit ist wichtig. Man muss gegenüber allen Menschen dankbar sein, die einem überhaupt ermöglichen, Kendo zu praktizieren: Vom Anfänger bis zum 8. Dan, den Eltern, die ihren Kindern diese Möglichkeit geben, den Betreuern – um nur einige zu nennen.
Kendo ist ein Komplettpaket: shiai, jigeiko, Dan-Prüfungen und vor allem: Andere Leute weiterzubringen durch die eigenen Erfahrungen. Man sollte sich stets selbst weiterbilden, zum Beispiel, indem man an Kampfrichter-Lehrgängen teilnimmt. An Turnieren teilzunehmen ist die eine Sache. Eine andere, zu erkennen, wann Punkte Punkte sind. Mit Monika habe ich einmal einen Lehrgang von Rainer Jättkowski mitgemacht, wo er recht lange einfach nur erklärt hat, wie man als Kampfrichter seine Fahnen richtig handhabt.
Zusätzlich kann man sich auch einbringen, indem man unterschiedliche Positionen füllt. Zum Beispiel, im eigenen Verein einen Posten wie den Vorstand zu übernehmen. Oder sich für die Jugend einzusetzen. Oder als Kampfrichter zu den Turnieren zu gehen.
Kendo ist nicht einfach nur ein Sport, sondern eine Lebenseinstellung: Respekt gegenüber anderen Leuten und vor allem die langjährigen Beziehungen zu Menschen, die auch Kendo machen, sind für mich sehr wichtig. Kendo ist halt kein Sport. Man kann Kendo bis ins hohe Alter machen, auch wenn man schon 80 oder 90 Jahre alt ist. Das ist das Faszinierende.
Die Jugend ist für mich allerdings das A und O im Kendo. Das ist der Hauptgrund, warum ich 2001 das Amt als Jugendreferent im DKenB übernommen habe. Kinder und Kendo passen gut zusammen: Man lernt Selbstdisziplin, Selbstbewusstsein, das Miteinander und hat eine körperliche Betätigung. Man lernt auch Verpflichtungen einzugehen, indem man regelmäßig zum Training kommt. Ein wichtiger Faktor, den man nicht unterschätzen sollte, sind allerdings die Eltern. Durch eine gute Kommunikation kann man die Eltern mit in das Kendo-Leben ihrer Kinder einbinden. Das ist wichtig, gerade weil Kendo keine Massensportart ist, so wie Fußball. Die Jugend ist ein Schatz, ein takara, den man hegen und pflegen muss.
Nicht vergessen darf man „unsere“ Altvorderen vom DKenB, denen mein ganzer Respekt gilt. Wolfgang Demski (7. Dan Kyoshi), Dr. Paul-Otto Forstreuter (7.Dan Kyoshi) und Rainer Jättkowski (7.Dan Kyoshi). Sie haben den DKenB aufgebaut und auf den Weg gebracht, den wir bis heute beschreiten. Respekt! Das ist auch so eine Sache, die nicht nur im Kendo, sondern auch in der Gesellschaft vielfach abhandengekommen ist: Respekt gegenüber den Älteren, den Eltern, den Lehrern, anderen Menschen gegenüber. Das ist in Japan noch etwas anders. Ob im Dojo oder außerhalb wird dem Lehrer gleichermaßen Respekt gezollt. Respekt kann man nicht einfordern, den muss man sich verdienen. Das gilt besonders für die Trainer bzw. Lehrer.
Vorbild sein heißt u. a., sich selbst immer wieder zu hinterfragen, auch Fehler einzugestehen und zu ihnen zu stehen. Gerade bei uns, also beim Kendo, ist das aus meiner Sicht sehr wichtig. (Das ist wie schon einmal erwähnt ein allgemein-gesellschaftliches Problem. Das weiter auszuführen, würde den Rahmen diese Interviews sprengen, daher möchte ich mit diesen Worten schließen.)
Ganz zum Schluss möchte ich mich bei den Initiatoren bedanken, welche die Idee zu den Interviews hatten und die sie geführt haben.
Interview Sigrun Caspary
Das Inrerview führte Malte Heinrichs
M: Heute ist Mittwoch der siebte Juli 2021. Ich sitze hier mit Sigrun Caspary. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.
S: Sehr gerne.
M: Dann fangen wir direkt an. Frage eins: Seit wann betreibst du Kendo?
S: Seit Oktober 1988, also etwas über 30 Jahre.
M: Und wie kamst du damals dazu?
S: Ich habe in Japan angefangen. Ich war zu der Zeit wegen eines Auslandjahres in Tokyo. Eine französische Klassenkameradin, die Kendo machte, fragte mich, ob ich sie nicht vertreten könnte, einen Vortrag über mein Land in Shichibu, etwas außerhalb von Tokyo, zu halten. Ich habe mir da nichts weiter bei gedacht und bin dann mit jemandem, der sich im Nachhinein als Kendo-Lehrer entpuppte, dort hingefahren und habe den Vortrag vor der Feuerwehr gehalten. Das für sich war schon kurios. Der Herr, der mich dorthin begleitet hat, besaß in Tokyo ein kleines Machi-Dojo. Zusammen mit seinem Freund von der Feuerwehr, der ebenfalls Kendo-Lehrer war, fragte er mich, ob ich denn nicht Lust hätte, mit Kendo anzufangen. So habe ich dann angefangen. Als ich dann im April 1989 nach Bonn zurückgekommen bin, gab es da eine Kendogruppe, da bin ich dabei geblieben. Wäre ich woanders hingegangen, wo es kein Dojo gab, hätte ich womöglich nach meinem Japan-Aufenthlat aufgehört.
M: Welche anderen Sportarten hast du gemacht?
S: Eine ganze Menge. Als Jugendliche habe ich in der sechsten oder siebten Klasse mit Judo angefangen. Damit habe ich allerdings aufgehört, als ich auf einem Turnier gesehen habe, wie jemandem direkt vor mir bei einem Hebelgriff der Arm gebrochen wurde. Und dann habe ich noch zehn Jahre Segelfliegen betrieben. Neben Kendo habe ich auch noch Iaido und Jodo gemacht.
M: Dann unter Kendo-Lehrern, die nach Deutschland gekommen sind?
S: Ja, Jodo habe ich bei den Lehrgängen in Köln damals unter Shiiya-Sensei (Kendo Kyoshi 7. Dan, Jodo Hanshi 8. Dan) betrieben. Viele Kendo-Lehrer meinten damals zu mir, wenn du Kendo machst, solltest du auch wenigstens ein bisschen Iaido gemacht haben. Als ich dann von 1993-1997 in Japan gelebt habe, habe ich ein- bis zweimal in der Woche auch Iaido gemacht. Und fünf-, sechs-, siebenmal in der Woche Kendo…. Und nebenher noch ein bisschen promoviert.
M: Paradiesische Zeiten.
S: Ja! Ich habe das wirklich sehr genossen,
M: Das glaube ich! Als du dann in Deutschland mit Kendo angefangen hast, wie viele Leute, haben da Kendo gemacht?
S: Oh, insgesamt weiß ich das gar nicht. Ich habe dann ja in Bonn trainiert. Bekannte Namen von damals sind Monika Krämer, Alfred Hennemann, Norbert Geutner, Thomas Kutzer, Rene Führen und Willi Istas. Allerdings war die Fluktuation in der Unigruppe recht hoch. Am ersten Tag des Semesters waren 25 oder 30 Leute da. Nach dem ersten Training unter Alfred waren es dann nur noch halb so viele. Ich habe leider keine Zahlen mehr im Kopf. Ich wollte damals einfach Kendo machen und habe keine Leute gezählt.
M: Wer ist dein Vorbild im Kendo?
S: Da kommen mir vor allem zwei Namen in den Kopf. Ich hatte während meiner Zeit als Promotionsstipendiatin an der Hitotubashi Univerität in Tokyo (1993-97) die große Ehre, bei Nakakura Kiyoshi (Kendo Hanshi 9. Dan, Iaido Hanshi 9. Dan) trainieren zu dürfen und das jeden Dienstag. Er war damals um die 90 Jahre alt und war eine Kampfmaschine. Er hat sich auf einem Stuhl sitzend seine Rüstung montiert, ist sich aufs Shinai stützend aufgestanden und dann ging’s los. Dann hat er sämtliche Studierenden aus der Halle gescheucht. Tsuki links. Tsuki rechts. Alle sind rausgeflogen. Das war sehr beeindruckend. Der nächste große Lehrer ist Nishino Goro (Kendo Hanshi 8. Dan) aus Kochi. Er war auch häufiger in Köln. Darüber hinaus fallen mir noch etliche Lehrer ein, von denen ich viel gelernt habe. Auch dadurch, dass ich für sie übersetzt habe. Kobayashi Hideo (Kendo Hanshi 8. Dan), Sato Nariaki (Kendo Hanshi 8. Dan), Tamura Toru (Kendo Hanshi 8. Dan), Sekiyama Sensei, (Kendo Kyoshi 8. Dan), Yoneyama Sensei (Kendo Kyoshi 7. Dan), Kurita Sensei (Kendo Hanshi 8. Dan). Eben sehr viele Bundestrainer, die aus der Keishicho (Tokyo Metropolitan Police) kommen. Und natürlich als Frau Sato Rie (Kendo Kyoshi 7. Dan), die etwa zehn Jahre lang den Frauenlehrgang in Witten geleitet hat.
M: Und Leute, denen du Danke sagen möchtest?
S: Wie viel Zeit habe ich? Eigentlich alle, mit denen ich jemals trainiert habe! Während der Zeit in Köln hat mich Monika immer zum Keiko mitgenommen. Roland Niewerth, Rene Führen, Thomas Kutzer, Alfred Hennemann. Die ganze Clique. Alle Bundestrainer. Insbesondere der erste Bundestrainer, den ich miterlebt habe, Aoki Eiji (Kendo Kyoshi 7. Dan, Iaido Hanshi 8. Dan), der leider schon verstorben ist. Ohne ihn hätte ich vielleicht mit Kendo aufgehört. In Japan geht man im Allgemeinen mit Anfänger*innen eher behutsam um. Das war hier anders. Sobald man die Rüstung an hatte, hieß es sofort "ran an die Buletten“. Und dann gibt es noch einen Herren, dessen Geschichte erst vor sieben oder acht Jahren herausgekommen ist. Er war als Kamikaze-Pilot vorgesehen, sein Motor schon gestartet und in dem Moment, als er hätte starten sollen, wurde die Niederlage Japans verkündet. Er ist 94 Jahre alt. So alt sind wir beide zusammen nicht mal zusammen. Und dann noch Kendo zu betreiben…. Ohne Worte! Wenn ich an diese Menschen denke, fällt es mir nicht schwer zum Keiko zu gehen. Nicht hingehen haben die ja auch nicht gemacht! Das Dojo läuft nicht weg. Und im Dojo wartet immer jemand. Und irgendwo gibt es immer jemandem, der einem die eigenen Fehler aufzeigt. Ich freue mich immer, wenn ich zum Kendo gehen kann.
M: Du hast den Wittener Kendoverein auch gegründet, richtig?
S: Ja, 1997. Zu den Topzeiten waren wir mal um die 70, heute noch etwa 30, wovon etwa zwölf regelmäßig kommen.
M: Und wenn du mit deinem Ich von damals einmal reden könntest, welchen Tipp würdest du dir selbst geben für die Gründung eines Kendojos?
S: Am Anfang ist es schwer, da muss man erstmal jemanden in die Halle kriegen. Dafür Werbung zu machen ist Dank des Internets heute sicherlich einfacher. Dann sollte man ab und an jemanden einladen, der Dinge schlicht anders erklärt, und die Leute ermuntern auch mal woanders hinzugehen. Das war auch einer der Gründe, warum ich aus dem ersten Dojo, in dem ich in Japan war, ausgetreten bin. Da hat mich der Sensei immer ganz eifersüchtig gefragt, ob ich denn sonst noch wo war. Dann war ich in Deutschland mit den jährlich wechselnden Bundestrainern. Die haben mich dann wieder in Japan hierhin mitgenommen, dorthin eingeladen. Da lernt man Kendo einfach sehr breit kennen. Man sieht es denjenigen an, die immer nur bei einer Person gelernt haben. Als ich damals das Dojo aufgemacht habe, hatte ich den 3. Dan und war in der Nationalmannschaft. Da hatte ich ein gewisses Selbstbewusstsein, auch etwas vermitteln zu können. Ich weiß allerdings nicht, ob ich das heute nochmal machen würde. Was ich gerne anders gemacht hätte, wäre eine zweite Trainingseinheit in der Woche zu ermöglichen. Ohne die Unterstützung anderer und jede Menge Herzblut ist es eigentlich nicht machbar, so etwas aufzubauen. Und Demut. Demut ist ein Wort, das Kendo einem beibringt. Man kann mit allen trainieren. Das sieht manch einer vielleicht anders und natürlich gibt es Leute, mit denen man auch mal weniger gerne Kendo macht, aber im Prinzip ist jedes Gegenüber wertvoll. Auch Verlieren ist nicht so schön, aber da muss man lernen mit umzugehen. Das meine ich mit Demut. Man wird nur weiterkommen, wenn man sich selbst immer wieder motiviert und andere mitnimmt. Deshalb halte ich es auch für so wichtig und wertvoll, dass wir diese 40 Jahre NWKV in irgendeiner Form begehen. Da gibt es nämlich ganz viele Menschen, die das erst möglich gemacht haben. Ohne das Engagement weniger könnte die große Mehrheit nicht trainieren.
M: Und was würdest du gerne jungen Kendoka mitgeben?
S: Guckt euch ein bisschen an, was die Alten machen. Nicht zu viel, weil die so feste hauen. Aber die haben über viele Jahre trainiert und machen es weiter. Die haben alle ihre Geschichte. Das fand ich immer sehr faszinierend, dass man Kendo so lange machen kann. Und manchmal hat man so ein Erlebnis, wo man erst merkt, wie wichtig es einem ist. Es ist halt auch einfach eine schöne Gemeinschaft. Als ich 1998 mal nach Taiwan geflogen bin und vorher den Verband angefragt hatte, ob ich da trainieren könne, wurde ich vom Flughafen abgeholt, zur Halle gebracht und bekam direkt zwei Flaggen in die Hand gedrückt. Man ist sofort willkommen, wenn man ins Dojo kommt. Man ist immer ein bisschen zuhause, wenn man in die Halle kommt. Egal, wo das ist. Auch in der hintersten Provinz. Die Leute machen vielleicht nicht das beste Kendo, sind aber alle nette Menschen.
M: Okay! Möchtest du sonst noch etwas loswerden?
S: Eventuell sollte sich der NWKV überlegen, ein paar Ehrungen auszusprechen. Da gibt es schon einige Personen, die sich sehr um den Verband verdient gemacht haben. Und natürlich ist es ganz wichtig, die Stafette weiterzugeben und die Jugend zu motivieren!
M: Vielen Dank für das Interview!
S: Dankeschön!
Anmerkung: Das Interview fand vor Sigruns Wahl zur Vorsitzenden des NWKV und der EKC 2022 in Frankfurt a. M. statt.
Das Interview führte Liam Lesch
I: Seit wie vielen Jahren machst Du Kendo und in welchem Verein?
M: Ins Kendo-Dojo-Köln bin ich 1987 eingetreten, aber ich habebereits1986 mit Kendo an der
Universität Bonn angefangen. Nicht als Studentin, ich war schon berufstätig. Alfred Hennemann
leitete das Training in Bonn und als er merkte, dass mich Kendo wirklich gepackt hatte, nahm er mich immer mit ins Kendo-Dojo Köln, dem er auch lange vorstand.
Die Nationalmannschaft der Herren hat am 28.5.2022 auf der Europameisterschaft in Frankfurt den 3. Platz erreicht und musste sich nur dem anschließenden Sieger Frankreich geschlagen geben! Eine tolle Leistung, Glückwunsch an die NRW-Kenshi! Wir gratulieren sehr herzlich!!!
Die Deutsche Damen-Mannschaft hat am 27.05.2022 den 2. Platz belegt, auch hier herzliche Glückwünsche!!!
Sowie an Finn für den 3. Platz im Jugend-Einzel am 28.05.2022